Die Frage, was Schamanismus eigentlich ist, taucht immer wieder in meinem Leben auf. Eine einfache und übereinstimmende Charakterisierung des Schamanismus gibt es nicht. Schamanische Kulturen gibt und gab es über alle Zeiten hinweg, überall auf der Erde. Wir wissen von SchamanInnen in Sibirien und Russland, auf dem gesamten Asiatischen Kontinent und in Teilen des Orients, in Nord- und Südamerika, Afrika und bei den Aborigines Australiens. Auch wissen wir, dass unsere Vorfahren in Europa, die keltisch-nordischen und die germanischen Völker SchamanInnen in ihren Gemeinschaften hatten.
Selbst wenn wir weit zurück in die Zeit reisen, finden wir, räumlich weniger weit entfernt, Attribute schamanischen Wirkens.
So wurden - zum Teil erst in den letzten Jahrzehnten - etliche Funde gemacht, die auf eine animistisch schamanistische Clanstruktur in Deutschland schon vor 35 bis 40.000 Jahren deuten. Im Lonetal in der Nähe von Ulm wurden in Höhlen Artefakte wie geschnitzte Frauenstatuen und Federschaftflöten gefunden. Ergreifend ist auch der Fund des sogenannten "Höhlenmenschle", einer aus Mammutelfenbein geschnitzten antropomorphen Figur. Es handelt sich um eine menschliche Gestalt mit dem Kopf eines Höhlenlöwen. (Weitere Infos hier).
Die Aufgaben der SchamanInnen in ihren Gemeinschaften waren und sind vielfältig. Sie sind spirituelle BeraterInnen und SeelsorgerInnen, TherapeutInnen und Heilkundige, ProphetInnen und oftmals intellektuelle und politische DenkerInnen und FührerInnen. Sie sind Beschützer der Natur und der in ihr existierenden Wesen, sie vermitteln zwischen ihr und der Menschheit. Ihr Hauptmerkmal jedoch ist die Fähigkeit, zwischen unserer dreidimensionalen Realität und dem Jenseitigen zu vermitteln; sie reisen in die so genannten Anderswelten, in die Ober-, die Mittel- und die Unterwelt, um Antworten und Heilung für Mensch und Natur zu finden.
In neueren schamanischen Lehren wird darauf hingewiesen, dass die schamanische Veranlagung in jedem Menschen vorhanden sei und erweckt werden könne. Die schamanische Sichtweise zusammen mit wahrhafter Öffnung und Liebe geben eine gute Basis ab, auf der wir neue Wege für unser Wachstum erlernen können.
Aus meiner Erfahrung und Beobachtung heraus, möchte ich jedoch ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir alle schamanistische Techniken für unser eigenes Wohl und Wachstum nutzen und anwenden können.
Doch um wahrhaftig als SchamanIn oder gar schamanische HeilerIn für andere wirken zu können, bedarf es mehr, denn SchamanInnen wird von der geistigen Welt direkt erwählt. Entweder schon mit in die Wiege gelegt oder durch traumatische Erlebnisse, die im schamanischen Kontext schamanische Prüfungen oder gar schamanische Tode genannt werden, haben diese Menschen im Leben schwer zu kämpfen und entwickeln ihre volle Kraft und Fähigkeiten eben gerade durch die Überwindung aller Schwierigkeiten ihres Lebens. Alle großen SchamanInnen, denen ich in Sibirien und anderswo begegnen durfte, berichteten mir von schweren Krankheiten, Nahtoderfahrung oder anderen höchst traumatischen Erlebnissen, wodurch sie auf den schamanischen Weg gerufen wurden. Auch ich wurde auf meinem Weg nicht von traumatischen und dramatischen Erfahrungen verschont. Ohne die Einweihung in und Hingabe an den schamanischen Weg und den Dienst zum Wohle aller Wesen, würden Probleme und Krankheiten im Leben bis zur Unerträglichkeit anwachsen. In der Regel wird das sogenannte 'schamanische Blut' von den eigenen Ahnen auf einen der Nachkommen übertragen.
Zwar ist der Stand des Schamanen in Sibirien ein regelrechter Beruf, kann jedoch ohne Berufung nicht erlernt und ausgeübt werden.
In den letzten Jahren ist es, besonders in Europa, zu einem regelrechten Ausverkauf des Schamanismus gekommen. Ich beobachte, wie überall Angebote toll klingender Seminare und Zeremonien wie Pilze aus dem Boden schießen und man könnte geneigt sein, dies ganz wunderbar zu finden. Schließlich zeigt es ja auf, dass immer mehr Menschen 'aufwachen' und in sich eine tiefe Sehnsucht nach Rückverbindung und Verwurzelung in der eigenen Kultur, in der eigenen Ahnenlinie suchen. Und betrachten wir es von der Seelenebene aus, kommt jedes Individuum, um die notwendigen Lernerfahrungen machen können, die es geplant hat, um den eigenen Weg des Wachstums gehen zu können. So steht es mir nicht an, zu be- oder verurteilen, zu empfehlen oder abzuraten...dennoch möchte ich daran erinnern, das unsere innere Stimme unser Herz und unsere Intuition, die richtigen Schritte und auch die Begleiter hierfür immer schon kennt.
Aus schamanischer Sicht ist Krankheit ein nicht natürlicher, disharmonischer Zustand. Ein Mensch, der nicht im Gleichgewicht mit den universellen Kräften ist, wird körperlich oder seelisch krank.
Da jegliche Herausforderungen im Leben, und seien sie auch noch so weltlicher Natur, immer Ausdruck eines Ungleichgewichts sind, bedeutet Heilung in diesem Sinne auch die Heilung unserer Lebenssituation. So wird Schamanismus, neben der Heilung körperlicher und geistiger Krankheiten, beispielsweise auch bei Problemen in der Familie, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz, bei Geldmangel, fehlendem Glück in der Liebe, usw. angewandt. Denn all diese disharmonischen Zustände sind Spiegel im Außen für unsere eigenen begrenzenden Gedanken- und Verhaltensmuster.
Um Informationen für die Wiederherstellung des Gleichgewichtes zu erhalten, begibt sich die SchamanIn mit Hilfe ihrer schamanischen Fähigkeiten und Techniken in veränderte, erweiterte Bewusstseinszustände. Solche Techniken sind beispielsweise ekstatischer Tanz, Trommeln, Rasseln, Klang & Stimme, Atemtechniken, die Befragung und Anwendung von Heilpflanzen und Verbündeteten in der geistigen Welt. In diesem Zustand kann die SchamanIn mit den Kräften, Wesen und Energien der Anderswelten in Kontakt treten und Informationen zur Ursache der Krankheit/des Problems und deren Behandlung erhalten. Dabei entwickelt jede SchamanIn ihre ganz eigene Art.
Häufig kommt es vor, dass verdrängte traumatische Erlebnisse einer Krankheit als Ursache zugrunde liegen. Hierbei bleibt häufig die Energie, die uns schlagartig trifft, also der Schock, in unserem System hängen (meist im Solar Plexus) und blockiert das freie Fließen unserer Energien und unserer Kraft. Auch gehen bei solcherlei Erlebnissen meist sogenannte Seelenanteile verloren. Viele SchamanInnen können diese abgespaltenen Seelenanteile zurückholen und diese wieder in deren Bewusstsein integrieren, so dass die Ursache der Krankheit aufhört zu existieren.
SchamanInnen beten und opfern den Geistern oder Spirits und folgen den Anweisungen, die sie von diesen erhalten, um günstige Bedingungen für eine Heilung oder eine andere ihnen anvertraute Aufgabe zu schaffen. Besonders wichtig ist auch die Harmonisierung und Integration der Ahnenlinien. So können wir in Kontakt kommen, mit jenen, die vor uns auf der Erde wandelten und aus denen wir hervorgegangen sind. Ohne sie gäbe es uns nicht. Die Rückverbindung mit unseren Ahnenlinien bringt meiner Erfahrung nach ausnahmslos Heilung, Wachstum und Klarheit in unser Leben. Wenn wir die Wege und Leiden unserer Ahnen besser verstehen, können wir auch zu einem besseren Verständnis unserer Selbst gelangen und alte "ererbte" Muster und Verhaltensweisen auflösen und verändern.
Für SchamanInnen sind alle Wesen der Existenz beseelt, so alle Elemente wie Feuer, Wasser, Erde, Luft, alle Pflanzen, Tiere und Mineralien, Sonne, Mond und alle Gestirne. Ganz besonders auch die Himmelsrichtungen.
Zur Unterstützung werden diese Kräfte angerufen. SchamanInnen haben auch ihre eigenen Hilfsgeister und Krafttiere, mit denen sie eng zusammenarbeiten.
So arbeite ich u.a. besonders gern mit der Bärenkraft (Sibirische Körperarbeit) und mit der Kraft des Adlers (Healing Performance/Trancetanz). Beide gelten als Krafttiere der Schamanen und der Heilung. Auch die Schlangenmedizin und Tabaquito, der Geist der Tabakpflanze (peruanischer Amazonasschamanismus) sind mir stetige Begleiter.
Trancetanz ist eine der ältesten menschlichen Formen, Riten zum Übergang in neue Jahreszeiten, Lebensphasen und Bewusstseinsstufen zu feiern. Er bietet uns die Möglichkeit in Bewegung zu kommen, unsere Gefühle wahrzunehmen, die Lebenskraft zu steigern. Ekstase als Erfahrung der eigenen Göttlichkeit zulassen und Erfahrenes und Erlebtes in neue Wege des Seins transformieren.
Bewegung ist die Sprache unseres Körpers, unsere Stimme und unser Atem verbinden uns mit ihm und Allem-was-ist. Nicht selten haben wir die Sprache unseres Körpers verlernt. Blockaden und Krankheiten müssen herhalten, um auf unsere Bedürfnisse aufmerksam zu machen, um uns unseren Körper und seine Bedeutsamkeit zurück ins Bewusstsein zu rufen.
Durch achtsames Beobachten unserer Bewegungen und unserer bevorzugten Rhythmen, können wir zu uns selbst zurückkehren.
Aus dieser Verbundenheit heraus können wir unsere Kreativität, unser Selbst künstlerisch ausdrücken und somit all unsere schöpferischen Fähigkeiten vereinen.
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